Dieses Jahr begann für mich, ich sag mal, suboptimal.
Gleich zu Beginn, und zwar im wortwörtlichen Sinn, hatte ich eine Grippe (die „normale“, langweilige..), wie ich sie noch nie hatte. Ich verbrachte also Neujahr mit Fieber und Gliederschmerzen, die seinesgleichen suchen im Bett. Nachdem der Coronatest negativ ausfiel, war wenigstens dieses ungute Gefühl weg, es ging mir aber trotzdem nicht wirklich gut. Als ich dachte, dass das Schlimmste überstanden ist, ging ich zu früh wieder arbeiten und hatte dann prompt einen Rückfall. Glücklicherweise nicht allzu schlimm, es reichte aber, um mich energiemässig auszubremsen.
Wer im Verkauf arbeitet, der weiss, wie anstrengend es körperlich und geistig sein kann. Sicher nicht in allen Branchen gleich, aber bei uns ist es teilweise schon happig. Vor allem, weil Anfang des Jahre die Grenzen nach Deutschland (für unseren Standort relevant) noch geschlossen waren. Sämtliche Kunden, die sonst ihre Einkäufe im nahem Konstanz machten, mussten nun zwangsläufig in der teuren Schweiz bleiben… (Ich belasse es bei dieser Bemerkung, ich könnte ein Buch nur mit diesem Thema füllen…)
Kurz nach dieser Grippe klemmte ich mir einen Nerv im Rücken.
Das ist ja leider nicht wirklich was Neues, also probierte ich erst mal das Übliche.. Entzündungshemmer, Schmerzmittel, Salben, Entspannungs-und Lockerungsübungen, die ich noch von meiner letzten OP kannte. Reichte selbstverständlich nicht, ich konnte kaum noch gehen, geschweige denn mich bücken oder was aufheben.
Bei der Arbeit schlich ich mehr als ich gehen konnte, sogar alte Omas mit Rollator überholten mich spielend. Irgendwann musste ich dann einfach zugeben, dass es so nicht mehr geht, die Schmerzen wurden fast unerträglich. Ich war völlig nutzlos.
Also ab zum Arzt, der mir dann mitteilte, dass ein ziemlich grosses Areal um die zweit-und drittuntersten Lendenwirbel entzündet sei. Superdups…
Scheinbar haben sich die zwei untersten Wirbel, bei denen bei der letzten OP ein Teil der Bandscheibe entfernt werden musste, versteift. Das hat zwar den Vorteil, dass sie sich nicht mehr einfach so verschieben können, aber die täglichen Belastungen rutschen jetzt halt einfach nach oben… Ja, hab ich gemerkt….
Also hopp, rauf auf die Liege, rein mit der Cortison Spritze…
Tönt ja erstmal nach einer kurzen Sache, leider war, weil ich zu lange gewartet und gehofft habe, dass ich es noch selber in der Griff kriege, die Entzündung so stark, dass ich auf beiden Seiten je zwei Spritzen brauchte. Auch wenn ich weiss, dass mein Arzt und das ganze Team absolute Profis sind und dass mir das Ganze ja helfen wird; es packt mich jedesmal die nackte Panik! Grundsätzlich, weils um Spritzen geht und dann vor allem, weil an meiner Wirbelsäule rumgewurschtelt wird. Hat ja dort doch noch den einen oder anderen wichtigen Nerv…
Ich hasse es ja, dieses Gift spritzen zu lassen! Aber die Alternative wären schier unerträgliche Schmerzen, Arbeitsunfähigkeit und dauernde Schmerzmittel Einnahme. Die Entscheidung war also nicht sooo schwer..
Irgendwann gings dann wieder, dauert meist ca. zwei Wochen, bis sich das Cortison voll entfaltet hat, danach sollte die entzündungshemmende Wirkung in etwa drei Monate halten.
Erschwerend kommt noch dazu, dass die Fitness Studios fast ein ganzes Jahr geschlossen waren, ich konnte also mein Training, das meine Rückenmuskeln stärken soll, schon längere Zeit nicht mehr machen. Klar, ich habe versucht zu Hause Ersatzübungen zu machen, Yoga, Pilates. Kraftübungen mit Powerbändern.. Doch es ist nun mal nicht das Selbe…
Anfang Monat hatte ich eine Woche Urlaub und schon gings wieder los. Und ich hab mich nicht mal übermässig angestrengt… Nicht die Wohnung gestrichen oder so. Kam wieder aus dem Nichts. Die Hälfte meiner Ferienwoche ging drauf für Schmerzen und den Versuch, die Sache wieder in den Griff zu kriegen.. Doch auch dieses Mal wars aussichtslos, auch dieses Mal wurden die Schmerzen so stark, dass ich kaum noch gehen konnte.. Keine Position, in der die Schmerzen nicht wüteten. Schlafen ging nur noch Stundenweise. Dann wieder hoch, ein paar Schritte gehen, in der Hoffnung, die Pein etwas lindern zu können. Ich schlich an der Wand entlang, um mich abstützen zu können, weil mein Bein immer wieder wegknickte.
Ich zählte die Minuten, bis ich endlich wieder eine Schmerztablette nehmen konnte.

In diesen Momenten verstehe ich Jede und Jeden, der unter chronischen Schmerzen leidet und Schmerzmittel abhängig wird. Du willst einfach nur, dass dieser Folter aufhört und du endlich mal wieder normal gehen, sitzen oder liegen kannst. Man ist völlig ausgeliefert, erschöpft und hilflos..
Es blieb mir also wieder keine Wahl, es musste wieder eine Spritze gemacht werden. Die Entzündungshemmer/Schmerzmittel waren nahezu wirkungslos, die Entzündung war bereits wieder zu stark.
Zu meiner grossen Frustration und dem Gefühl der absoluten Machtlosigkeit gesellt sich in diesen Momenten auch immer Angst.
Angst davor, dass dies meine Zukunft ist… in regelmässigen, immer kürzer werdenden Abständen meinen Körper mit Cortison zu bombardieren, weil ich sonst nicht mehr normal funktionieren kann.. Und dass eine weitere OP unvermeidlich wird.
Angst davor, den Job nicht mehr richtig machen zu können und deshalb die Stelle zu verlieren.
Angst davor, irgendwann deswegen gar nicht mehr arbeiten zu können und ein Fall für die IV zu werden..
Angst davor, auf den Goodwill eben jener Versicherung angewiesen zu sein, die bekanntermassen oft nur unwillig und widerstrebend Leistungen erbringen. Obwohl man das ganze Berufsleben Beiträge einbezahlt..
Gar nicht erst anfangen will ich von meinen stetigen Schuldgefühlen, meine Arbeitskolleginnen im Stich zu lassen. Klar weiss ich natürlich, dass das alles nicht meine Schuld ist. Ich würde liebend gerne darauf verzichten, mich zu fühlen als ob ein kranker Sadist mir mit einem glühenden Messer an den Nerven rumsäbelt… Aber ich kann es sehr oft nicht verhindern, dass diese Gedanken aufkeimen..
Obwohl ich es versuche, denn solche Gefühle rauben noch zusätzlich Energie und Kraft, die ich dringend benötige, um mich wieder auf die Beine zu kriegen.
Buchstäblich….

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