Dies wird ziemlich sicher mein persönlichster Eintrag, es ist sehr ungewohnt für mich, so tief (für meine Verhältnisse) in mein Privatleben blicken zu lassen.
Ich liege seit nunmehr fast zwei Wochen flach. Und zwar ziemlich buchstäblich.
Vor drei Wochen hat sich mein Ischias gemeldet, dass ihm was auf den Nerv geht… Leider habe ich ihn zuerst ignoriert, weil ich irrtümlich angenommen habe, dass ich einfach etwas überdehnt habe.. Böööser Fehler….
Nun ist es ja nicht so, dass ich diese Situation nicht kennen würde. Leider bin ich mit einer sogenannten „genetisch bedingten degenerativen Wirbelsäule“ gesegnet… Soll heissen, besagte Wirbelsäule baut sich viel zu schnell und zu stark ab.
Ich bin 48 Jahre alt, mein Rückgrat ist jedoch schon längst pensioniert… Da kann man nicht wirklich viel gegen machen, ausser Rückenmuskulatur stärken und genügend Calcium zu sich nehmen. Auch schon vor der Menopause…
Chiropraktiker Besuche stehen bei mir leider etwas häufiger auf dem Programm..
Soweit die Vorgeschichte…. Nun fragt sich vielleicht der eine oder andere, was das mit Ischias zu tun hat… Nun ja, leider verabschieden sich auch langsam meine Bandscheiben und bauen sich viel zu schnell ab, so dass es immer wieder vorkommt, das Nerven zwischen den Wirbeln eingeklemmt werden. Meist lässt sich diese Situation mit Schmerzmitteln und, nachdem die Entzündung weg ist, mit gezielten Behandlungen wieder soweit beheben, dass ich keine Schmerzen mehr habe…
Doch dieses Mal ist alles anders. Als ich vor zwei Wochen vor der Arbeit noch notfallmässig zum Arzt ging und mit richtigrichtig starken Schmerzmitteln, Magenschützenden Tabletten und dem guten Rat, nicht zu übertreiben wieder rausging, dachte ich noch, das wird die gleiche Prozedur wie immer geben.. Am Dienstag zum Arzt, bis dann sollten die Schmerzen und die Entzündung soweit weg sein, dass eine Behandlung gestartet werden kann.. Tja, dem war nicht so, die Schmerzen waren trotz den starken Tabletten unverändert..
Mittlerweile war ich doch ein bisschen beunruhigt, hatte ich doch vor etwa fünf Jahren eine ähnliche Situation, die mit einer künstlichen Bandscheibe im Nacken endete.
Alles klar, meinte mein Arzt, dann gibt’s jetzt eine Cortison Spritze in den Wirbel, damit die Entzündung direkt am Ort des Geschehens bekämpft werden kann.
….. Schluck…..
Hatte ich schon, möchte ich eigentlich lieber nicht… Doch was soll ich machen… Mit diesen Schmerzen kann ich nicht weitermachen, die Entzündung wird ja nicht besser mit den Tabletten. Ausserdem sind die Nebenwirkungen nicht gerade supidupi…
Ok, dann also zuerst ins Spital, MRT machen, damit man genauer sieht, wie schlimm es wirklich um diese ganze Region steht.
Schon mal MRT gemacht? Vom Rücken? Da wird man mit dem gesamten Körper in diesen Sarg geschoben, man hat kaum Platz zum tief durchatmen… und das für 40 Minuten… Klar, ich hätte eine „Leck-mich-am-Arsch-Tablette“ bekommen, leider musste ich danach aber noch selber nach Hause fahren, darum musste ich mich mit einer Augenbinde und Kopfhörern mit Musik begnügen.. Zum Glück gabs keinen Heavy Metal Sound, weil Headbanging geht nicht in diesen Dingern…
Am nächsten Tag dann also wieder zum Arzt, Spritze machen. „Infiltration“, wie das im Fachjargon heisst…. Ok, wer lässt sowas schon gerne über sich ergehen.. Kaum jemand denke ich, aber ehrlich, es gibt Spritzen.. Und es gibt SPRITZEN.... Und so direkt in den Wirbel schafft es schon in Richtung Podestplatz.
Aber muss halt sein, also rein damit. Gut, es gibt eine örtliche Betäubung, wobei die ja auch schon in ner Spritze ankommt.. Super. Frau Doktor, die diese Prozedur macht, ist sehr nett, sagt mir genau, was sie wann und wie macht. Das „beruhigt“ ein bisschen, die nackte Panik legt sich ein wenig. Trotzdem, man liegt flach auf dem Bauch auf einer Art OP-Tisch und fühlt sich so etwas von ausgeliefert und hilflos, man hofft einfach, es möge schnell vorbei sein und dass die Schmerzen danach weniger werden.
Jetzt ist ja Cortison nicht direkt gegen Schmerzen, es bekämpft die Entzündung und wirkt so indirekt gegen Schmerzen. Und bis die Wirkung voll da ist, dauert es meist ein bis drei Tage, je nach Entzündungsgrad. Die Nebenwirkungen dieses Giftes sind jedoch zackzack da!
Am Tag nach der Spritze wache ich mit hochrotem, heissem Gesicht und Decollete auf, ich sehe aus wie eine Erdbeere. Mein Bauch ist aufgeschwollen und beinhart, mir ist übel und schwindelig. Obwohl ich das Cortison ja nicht eingenommen habe, sondern nur gespritzt gekriegt habe.
Leider waren die Schmerzen auch nach mehreren Tagen immer noch gleich.
Zu allen Reaktionen der Medikamenten gesellt sich auch noch ein veritabler Frust, weils einfach nicht vorwärts geht. Ich habe permanent ein schlechtes Gewissen meinen Arbeitskolleginnen gegenüber, obwohl ich natürlich weiss, dass ich nicht im Entferntesten fähig wäre, zu arbeiten! Ich kann gerade mal eine halbe Stunde stehen, bis die Kraft in meinen Beinen weg ist und die Schmerzen zu gross werden und ich entweder sitzen oder liegen muss. Die Beine fühlen sich taub an und schmerzen trotzdem… Das ist unglaublich deprimierend und zieht runter. Meine Nerven liegen blank, ich mache mir Sorgen, ob und wie ich meinen Beruf im Verkauf weitermachen soll, falls das was chronisches wird…
Nach einer Woche musste ich wieder zum Arzt, nochmal eine Spritze machen. Diesmal direkt in den Nerv und eine noch höhere Dosis… Und die wurde vom Doc Himself gemacht…
Ehrlich, mein Arzt ist eine absolute Koryphäe auf seinem Gebiet, er hat mir noch immer helfen können, soweit es bei meiner Krankheit möglich ist.
Doch, wie zum Beispiel auch bei Top Chirurgen, die Psychologie bleibt oft auf der Strecke. Ist ja meist auch nicht von Nöten bei solchen Behandlungen.
Ich hätte mir trotzdem gewünscht, dass er vielleicht das Kapitel „Feinfühligkeit“ und „Einfühlungsvermögen bei Patienten“ im Lehrbuch nicht einfach nur kurz durchgeblättert hätte..
Keine Vorwarnungen mehr wie beim letzten Mal, rein mit der Betäubung, und dann Zack… drückt mir die Spritze in den Nerv, es fühlt sich an, als versuche er, mit dem Starthilfekabel aus dem Auto meine Beine zum laufen zu kriegen. Die Schmerzen sind extrem, meinem Geächze entnimmt er scheinbar, dass die Spritze am richtigen Ort ist und drückt das Cortison rein… Es fühlt sich an, als platze meine Wirbelsäule auseinander.. Ich liege da und frage mich, wann wohl der CIA-Verhörspezialist aus Guantanamo mit Tuch und Eimer fürs Waterboarding reinkommt.. Das ist in dem Moment die einzige Steigerung, die ich mir noch vorstellen kann.
Aber auch dies geht vorbei und da er mir versichert, dass diese Ladung Gift nun eine Woche lang hält, schöpfe ich Hoffnung..
Das war vor zwei Tagen und ich warte noch immer auf die versprochene Wirkung…
Mittlerweile könnte ich aus Frustration nur noch heulen, weil ich aussehe wie ein Biggest Loser Kandidat und trotzdem immer noch Schmerzen habe. Mir ist durchgehend übel und ich bin immer halb beduselt von den starken Schmerzmitteln, die immer noch nehmen muss…
Ich frage mich, warum ich nicht einfach den Fuss brechen konnte, dann würden die Leute wenigsten sehen, warum man nicht arbeiten geht!
Aber so…
Natürlich wird mir von allen gesagt, dass ich nicht zu früh wieder arbeiten gehen soll, doch sind wir ehrlich.. Irgendwann kommt der Punkt, da fragen sich die Mitmenschen, wie das alles sooo lange dauern kann… Und hey, Rückenschmerzen haben doch alle… Aber Ischias ist nicht einfach Rückenschmerzen. Genauso wenig sind Kopfschmerzen das selbe wie Migräne.
Es geht mir hier nicht darum, rumzujammern, ich versuche auf diesem für mich ungewohnten und ziemlich schwierigen Weg mit meiner derzeitigen Situation umzugehen. Weil ich aus eigener Erfahrung weiss, dass es meist kontraproduktiv für die Genesung ist, sich einzugraben und sich dem Frust und der Verzweiflung hinzugeben. Das musste ich auch erst bitter erfahren.
Das alles hört sich jetzt in einigen Ohren vielleicht etwas allzu dramatisch und übertrieben an, doch man steht vor der Entscheidung, ob man seinen Kopf und seinen Willen durchsetzt und arbeiten geht, obwohl man immer noch starke Schmerzen hat, einfach weil man nicht als Simulant oder Weichei dastehen will… Und so ganz bewusst seine Gesundheit und die berufliche Zukunft aufs Spiel setzt.. Weil man immer daran denken muss, dass die Kolleginnen und Kollegen ausbaden müssen, weil man wieder flach liegt.
Und trotzdem ist da auch noch diese leise Stimme, die fragt, ob man es wirklich riskieren will, mit 50 Jahren ein IV Fall zu sein und sich mit Versicherung herumschlagen will…
Aber es gibt ja noch diesen kleinen Silberstreifen an meinem Frusthorizont, der mir zuflüstert, dass dieses Dreckscortison ja irgendwann seine Wirkung entfalten MUSS!! Nicht nur seine abartigen Nebenwirkungen…
Freunde, geht liebevoll mit Euren Körpern um… Solange wir unser Hirn noch nicht in einen Androiden verpflanzen können, gibt’s keinen Ersatz!
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