Als Intro im Verkauf

Ich bin eine Einzelgängerin. War ich schon immer. Heute würde man wahrscheinlich sagen, dass ich etwas nerdig unterwegs war. Allerdings nicht so TBBT- Intelligenz-nerdig, einfach nur nerdig. Ich stand auf Star Trek, und zwar die erste Generation, Raumschiff Enterprise. Weils halt anno dazumal nicht nur die erste, sondern auch die einzige Generation war. Es gab natürlich noch Buck Rogers, aber die Serie lief ja nicht so lange. Ich fand Musik toll, die bei meinen Altersgenossen nicht in war. So Aussenseitermässiges halt.

Natürlich habe ich auch versucht, Freundschaften zu schliessen und mich am regen Sozialleben meiner gleichaltrigen Mitmenschen zu beteiligen. Allerdings habe ich mich in Gesellschaft von Menschen, vor allem wenn noch Leute dabei waren, die ich noch nicht kannte, schnell unwohl gefühlt. Ich war gerne allein. Das geht mir bis heute so.

Der grosse Unterschied ist, dass ich heute weiss, dass das nicht schlimm ist. Damals kam ich nur so semi damit klar. Man sieht Gleichaltrige und Mitschülerinnen, denen es von Natur aus spielend leicht fällt, mit Jedem und Jeder zu sprechen, Freunde zu finden, alle für sich einzunehmen. Und steht daneben und fragt sich, aus welchem Universum man wohl stammt, weil das alles für einen selber unerreichbar ist.

Ich bin also introvertiert und habe eine Sozialphobie, die, Achtung Selbstdiagnose, so mittel ausgeprägt ist. Das schränkt mich jetzt nicht generell arg ein in meinem täglichen Leben, allerdings gibt es schon immer wieder Momente, an denen ich mich selber überreden muss, raus zu gehen.

Meist, wenn ich den Abend vor meinem freien Tag doomscrollend verbracht habe, schaff ich es am nächsten Tag manchmal fast nicht, einfach nur mal einkaufen zu gehen. Und nicht nur nach dem Motto: Booaa ich mag mich jetzt nicht duschen und anziehen, ich möcht grad nur rumhängen… Das ist dann schon belastend und mit körperlichem Unwohlsein verbunden. Ich muss dann wirklich die Kopfhörer in die Ohren stopfen und irgend einen interessanten oder lustigen Podcast hören, damit ich die Illusion einer Distanz zu den Menschen rund um mich aufrecht halten kann. In solchen Situationen ist dann auch meine Klaustrophobie deutlich stärker, was nicht wirklich überraschend ist.

Feste oder Feiern an denen viele mir unbekannte Menschen sind, wie zum Beispiel eine Hochzeit oder eine Geburtstagsfeier sind eine unheimlich grosse Herausforderung für mich und können zu einem erhöhtem Stresslevel führen. Smalltalk ist mir ein Graus und eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit für mich.

Nun bin ich aber mit meinen 54 Jahren mittlerweile in der Lage, das bis zu einem gewissen Grad zu kontrollieren. Das bringt mich zu meinem Beruf, der vor diesem Hintergrund nun wirklich nicht die beste Wahl scheint. In der Verkaufsbranche ist der direkte Menschenkontakt meist nur schwer zu vermeiden. Aber da funktionierts eigentlich erstaunlich gut… der Kontakt, nicht die Vermeidung..

Ich erkläre mir das selbst damit, dass Kundengespräche auf einem anderen Level sind als persönliche Kontakte. Die Menschen kommen ja zu mir, weil sie was gegen Kopfschmerzen oder ein Nasenspray oder wasauchimmer möchten. Und dann gehen sie wieder. Ideal für mich. Näher kommen mir die Menschen da meist nicht. Sowohl körperlich als auch emotional.

Natürlich sind da schon auch noch meine Arbeitskolleginnen, die mich mittlerweile aber gut genug kennen, dass sie es (hoffentlich) nicht persönlich nehmen, wenn ich die Mittagspause mal mit Kopfhörern verbringe, weil ich einfach eine Stunde lang nicht sprechen mag.

Und so unverständlich es für gesellige Menschen ist, diese Sozialkontakte sind absolut ausreichend für mich. Es ist sogar so, dass ich nach einem Tag mit hoher Kundenfrequenz als Ausgleich eigentlich einen Tag mit null Aussenkontakt bräuchte, damit ich wieder aufgetankt bin. Dass dies nicht möglich ist, liegt auf der Hand. Aber da sind ja glücklicherweise noch die Sonntage und Urlaub, in dem ich die ersten Tage tatsächlich meist „eingebunkert“ in meiner Wohnung verbringe. Ich kaufe vorher genug ein, damit ich wirklich nicht raus muss. Und wenn, dann nur um in Ruhe spazieren zu gehen. Dort wo ich mit niemandem interagieren muss, ausser ein kurzes „Guten Tag“.

Wie es ist, wenn ich dann mal pensioniert bin und den täglichen Kontakt nicht mehr automatisch habe, weiss ich natürlich nicht. Ob ich mich dann immer noch wohler fühle, wenn ich alleine bin, bleibt abzuwarten, aber ich denke, dass solche Persönlichkeitsmerkmale nicht völlig verschwinden oder sich ins Gegenteil verwandeln.

Ich weiss, dass ganz viele Menschen unfreiwillig alleine sind und unter diesem Zustand leiden, sich einsam fühlen und daran verzweifeln können.

Aber es gibt halt auch das Gegenteil. Leute, die wie ich lieber alleine und froh sind wenn sie mal einige Tage mit niemandem sprechen müssen. Ausser mit sich selbst, aber auch das nur kurz…

Und zu meinem Glück lebe ich in einer Zeit und einem Land, in dem ich das als Frau auch problemlos kann!

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